Out of Ego: Warum Sommerurlaub auch eine Führungsaufgabe ist
Ein Sommerblog für alle, die dringend Urlaub brauchen – und für ihr Ego gleich mit.
Kopf aus, Kalender leer … und trotzdem erreichbar?
Sommerzeit ist Urlaubszeit. Eigentlich. Denn während sich Kalender leeren, beginnt bei vielen Führungskräften die eigentliche Arbeit: das Nicht-Arbeiten. Klingt paradox? Ist es auch.
Sie sitzen vielleicht am Strand oder in einem netten Café – und beantworten trotzdem noch Mails. Zwischen zwei Cappuccinos oder einem Aperol ein kurzer Blick in den Teams-Chat. Nur zur Sicherheit.
Manche Menschen machen Urlaub. Andere nehmen einfach ihre Arbeit mit. Und dann gibt es jene, die im Offline-Modus immer noch überlegen, ob die Vertretung auch wirklich alles im Griff hat – und ob ohne sie womöglich das ganze Unternehmen implodiert.
Willkommen im Sommerurlaub der Führungskräfte – und ihrer Egos.
Ego out of Office? Schön wär’s.
Der Körper liegt in der Hängematte, der Kopf sortiert Excel-Tabellen. Und das Ego? Das flüstert aus dem Inneren:
„Niemand kann das so gut wie du.“
„Was, wenn du etwas verpasst?“
„Du bist unersetzlich.“
Diese leisen Stimmen sorgen dafür, dass sich der Kalender zwar leert, aber nicht der Kopf. Denn Urlaub ist nicht einfach Erholung. Es ist auch ein psychologischer Kraftakt: das eigene Relevanzgefühl loslassen.
Loslassen ist eine Stärke – keine Schwäche
Urlaub fordert von uns nicht nur organisatorisch, sondern auch emotional einiges ab. Loslassen fällt nicht schwer, weil es an Kompetenz mangelt, sondern, weil es Haltung braucht. Denn wer im Urlaub nicht abschalten kann, vertraut oft weniger seinem Umfeld – sondern sich selbst zu sehr.
Das klingt unbequem, ist aber eine interessante Führungsfrage: Können Sie darauf vertrauen, dass Ihr Team auch ohne Ihre permanente Kontrolle funktioniert?
Wenn ja, großartig.
Wenn nein, haben Sie vielleicht kein Delegationsproblem – sondern ein Ego-Thema.
„Ich bin im Urlaub, aber erreichbar.“
Manche E-Mail-Abwesenheitsnotizen beginnen mit Sätzen wie:
„Ich bin im Urlaub, lese aber gelegentlich meine Mails.“
Klingt serviceorientiert. Ist aber das Gegenteil von Erholung.
Denn wer erreichbar bleibt, bleibt auch verantwortlich. Und wer verfügbar ist, bekommt Anfragen. Es ist ein schmaler Grat zwischen Engagement und Kontrollbedürfnis – und oft auch eine Frage der eigenen Erlaubnis: Erlaube ich mir wirklich, mal nicht wichtig zu sein?
Ein Vorschlag für Ihre Abwesenheitsnotiz:
„Ich bin im Urlaub und nicht erreichbar. In dringenden Fällen wenden Sie sich bitte an mein großartiges Team.“
Klare Grenze. Klare Botschaft. Und ein starkes Zeichen: Vertrauen ist Leadership.
Der Selbsttest: Hat Ihr Ego Urlaub?
Kleiner Selbstcheck – mit einem Augenzwinkern:
✅ Sie lesen keine Mails heimlich im Schatten.
✅ Der Teams-Chat ist stummgeschaltet.
✅ Ihre VPN-Verbindung schläft tief und fest.
✅ Sie haben nach drei Tagen aufgehört, im Traum KPIs zu verfolgen.
✅ Sie wissen: Wenn niemand anruft, ist das ein gutes Zeichen.
Wenn Sie bei den meisten Punkten zustimmen:
Herzlichen Glückwunsch. Ihr Ego hat Urlaub. Und Sie auch.
Workation oder Work-Illusion?
Natürlich: Mobiles Arbeiten hat viele Vorteile, gerade im Sommer. Ein Call vom See, ein Report aus dem Café in Lissabon, Zoom mit Sonnenbrille. Klingt smart. Und manchmal funktioniert es auch.
Aber Workation ist eben oft keine echte Erholung. Sondern einfach: Arbeiten mit schönerem Hintergrund.
Denn der mentale Schalter bleibt trotzdem auf „on“. Und zwischen Sonnencreme, Nachrichten und WLAN-Sorgen bleibt wenig Platz für das, was Urlaub eigentlich sein sollte: Abstand. Reflexion. Auftanken.
Übergabe: Wenn die Zusammenfassung länger ist als der Urlaubsroman
Die gute alte Urlaubsübergabe: In einigen Unternehmen gleicht sie einem epischen Roman. 12 Seiten, mit Anhängen, Ablaufplänen und Fußnoten. Schließlich soll ja wirklich alles bedacht sein.
Doch mal ehrlich: Wie oft wird eine Übergabe wirklich von vorne bis hinten gelesen?
Genau.
Der wahre Kern der Übergabe liegt nicht im Umfang, sondern im Vertrauen: Trauen Sie Ihrem Team zu, mit 80 % der Information trotzdem 100 % Verantwortung zu übernehmen? Und können Sie es aushalten, dass nicht alles exakt so läuft, wie Sie es gemacht hätten?
Warum der Kopf länger braucht als der Kalender
Selbst wenn der Kalender „Urlaub“ sagt – unser Kopf weiß das nicht sofort. Viele Menschen brauchen erst einmal ein paar Tage, bis sie mental im Off-Modus ankommen. Wer ständig im Reaktionsmodus lebt, muss sich erst entwöhnen – von Meetings, E-Mails, Meldungen, Statusgefühl, Adrenalin etc.
Und wenn man dann endlich mal in der Erholung angekommen ist? Dann ist der Urlaub leider oft schon wieder vorbei …
Die Lösung liegt, wie so oft, in der Mischung:
- Ein längerer Urlaub im Jahr (mindestens 10 bis 14 Tage), um wirklich tief zu entspannen.
- Mehrere Kurzurlaube über das Jahr verteilt, als kleine Erholungsinseln zwischendurch.
Gerade in Österreich haben wir dabei einen echten Vorteil: Mit mindestens 25 Urlaubstagen pro Jahr lässt sich diese Balance wunderbar gestalten – zum Beispiel mit einer großen Reise im Sommer und mehreren verlängerten Wochenenden übers Jahr verteilt.
Tipp für Führungskräfte:
Wer viel Verantwortung trägt, neigt dazu, seinen Urlaub strategisch zu „optimieren“ – etwa rund um Feiertage oder „nur so lang, dass nichts liegen bleibt“.
Dabei gilt: Effektive Erholung ist keine Frage der Effizienz – sondern der Entkopplung. Je intensiver Ihr Alltag ist, desto wichtiger sind echte Unterbrechungen. Und je höher Ihre Position, desto größer Ihr Einfluss auf die Urlaubskultur im Unternehmen.
Urlaub ist kein Luxus – sondern Haltung
Und noch etwas: Urlaub muss kein 5-Sterne-All-Inclusive sein. Erholung ist keine Frage des Budgets – sondern des Perspektivwechsels.
- Ein Spaziergang durch einen Wald, den Sie noch nie betreten haben.
- Ein Wochenende in einer Hütte ohne WLAN.
- Ein Zelt, ein See, ein Buch.
- …
Wer aus den klassischen Touristen-Hotspots rausgeht, findet oft nicht nur Ruhe – sondern auch erstaunlich günstige Alternativen, die Erholung auf ganz andere Weise ermöglichen: langsamer, echter, nachhaltiger.
Gerade für Führungskräfte kann das heilsam sein: Nicht alles planen. Nicht alles kontrollieren. Sondern sich mal wieder ein bisschen erden und einfach Mensch sein, ohne KPI, Agenda oder Outlook.
Fazit
Urlaub ist kein Zeichen von Schwäche – sondern von Reife.
Leadership bedeutet nicht, überall dabei zu sein. Sondern zu wissen, wann es Zeit ist, loszulassen.
Der Sommer ist nicht nur eine Pause im Kalender. Sondern eine Chance:
- Für echte Erholung.
- Für neue Perspektiven.
- Für den Beweis, dass Ihr Team auch ohne Sie funktioniert – weil Sie es dazu befähigt haben.
Und manchmal braucht nicht nur Ihr Körper die Pause. Sondern vor allem Ihr Selbstbild.
PS: Sollten Sie das hier gerade im Urlaub am Strand oder in den Bergen lesen – schließen Sie bitte den Tab. Und sagen Sie Ihrem Ego: „Ich bin dann mal weg.“
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